Karfreitag einmal anders
Sehr gut besucht war die Euerdorfer Pfarrkirche St. Johannes der Täufer am Karfreitagnachmittag. Nach den positiven Rückmeldungen der Gläubigen zur Liturgischen Nacht am Gründonnerstag im vergangenen Jahr lud das Vorbereitungsteam um Pfarrvikar Matthias Karwath in diesem Jahr dazu ein, auch den Karfreitag einmal anders zu begehen.
Mit der Melodie „O Haupt voll Blut und Wunden“, solistisch vorgetragen von Thomas Hümpfner an der Posaune, begann um die „neunte Stunde“ (15 Uhr unserer Zeitrechnung) ein ungewöhnlicher Gottesdienst in Euerdorf . Nach einer kurzen Begrüßung sang Christine Huppmann zur Einstimmung mit der Gitarre das Lied „Zwischen Himmel und Erde“ von Albert Frey , bevor Matthias Karwath die Besucher an das Thema des Gottesdienstes heranführte. Im Mittelpunkt stand der Satz aus der Passionsgeschichte „Wir haben ein Gesetz – und nach diesem Gesetz muss er sterben“.
Was war an der Botschaft Jesu für seine Gegner so unerträglich, dass sie auf das Gesetz pochten, um ihn auszulöschen? Anhand verschiedener Evangelien wurden Beispiele vorgelesen, wie Jesus versuchte, Liebe in die Welt zu bringen: Ausgegrenzten gab er wieder Ansehen, er versuchte, den Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt zu stoppen, trat für den Verzicht von jeglichen Privilegien ein, drehte die Machtverhältnisse um und berief sich bei allem darauf, Gott auf seiner Seite zu haben. Das alles hatte seine Gegner unwahrscheinlich provoziert.
Mit laut durch die Kirche hallenden Hammerschlägen wurde die Liebe Jesu in Form der Evangeliumstexte an ein großes Holzkreuz geschlagen. „Love lifted on the cross for me...“, so begann das passende folgende Lied, das gefühlvoll mit Sologesang und Bläsern intoniert wurde.
Im Folgenden wurde der Bezug der Passionsgeschichte zu unserer heutigen Zeit hergestellt. Wird die Liebe Jesu etwa auch in seiner eigenen Kirche ans Kreuz genagelt? Verschiedene kirchenrechtliche Aussagen lagen zum Lesen bereit, die die römisch-katholische Kirche als Gesetz ausgibt, wie z.B. Regelungen zum Priestertum der Frau, zur Homosexualität oder zu wiederverheirateten Geschiedenen. In Stille konnte man von Tisch zu Tisch gehen und diese Kirchengesetze auf sich wirken lassen. Wer wollte, konnte diese Texte mitnehmen und mit einem Nagel an das Kreuz schlagen.
Nach den Spirituals „He never said a mumblin word“ und „They crucified my Lord“ trugen Jugendliche das Holzkreuz durch die Kirche nach hinten. Dort gibt es in Euerdorf eine Weltkugel aus Metall, die als Ständer für Opferkerzen dient. An dieser Weltkugel wurden weitere Nägel ins Holzkreuz geschlagen, sinnbildlich für Länder, in denen Krieg und Unterdrückung herrschen, sowie für den rücksichtslosen Umgang mit unserer Schöpfung.
Nach dem Lied „Shalom“ von Siegfried Fietz erging dann die Einladung an die Gläubigen zur Kreuzverehrung, zu der verschiedene Taizé-Gesänge von der Gesangsgruppe angestimmt und von den Besuchern mitgesungen wurden.
Die Mischung aus Bibeltexten, Gebet, Aktionen und Musik sorgte für Abwechslung und machte diese Liturgie kurzweilig. Mit einem Dankgebet für Jesu Botschaft, einer Segensbitte für die Welt und dem gemeinsamen Lied „Bewahre uns Gott“ schloss die Karfreitagsfeier, über die eine Besucherin im Anschluss sagte: „Diesen Karfreitag werden meine Tochter und ich nicht vergessen, das war für uns Gänsehaut pur.“ red
⇒Veröffentlicht von: Fränkischer Tag